OSTSEE-ZEITUNG.DE

Dienstag, 27. Dezember 2005  |  Stralsund und Umgebung

Kann ich C. P. S. böse sein?

Baron Münchhausen, Hauptmann von Köpenick, Claus-Peter Schoschies – ein Stralsunder hat Platz genommen neben zwei Helden der Weltliteratur.

Problemschach – vor drei Jahren wusste ich noch nicht, was das ist. Dann lernte ich ihn kennen: C. P. S. Er weihte mich ein in die Geheimnisse seines Sports. In die Welt der Bartuschows, Farmers und Garnejews. Sogar in Athen bei Olympia durfte ich ihn anrufen, den Top-Problemlöser vom Sund, der doch immer bescheiden geblieben war, mich und die Leser einfach nur teilhaben ließ an den Erfolgen am karierten Brett, das für ihn die Welt bedeutete. Pokale zeigte er mir und Urkunden, die von seinem Siegeszug mit Rochaden und Gambits zeugten.

Nie hätte ich vermutet, dass C. P. S. auch nur ein ganz kleines bisschen flunkert. Befand mich dabei sogar in guter Gesellschaft. Bis, ja bis ein gewisser Olaf T. aus Cottbus sich meldete und mir das Osterfest 2005 vermieste. Statt bunter Eier und Schokohasen zu suchen, zermarterte ich mir meinen Kopf. Ein Schachproblem galt es zu lösen. Sollte C. P. S. tatsächlich alles nur erfunden haben?

Er hatte. Ich litt Qualen, die ich bis dahin nicht kannte. Meine Gefühle schossen Kobolz. Tagelang lief ich rum wie Falschgeld. Schwankte zwischen persönlicher Enttäuschung und grenzenloser Bewunderung für einen Mann, der über ein Jahrzehnt eine Partie gespielt hat, mit der er alle um sich herum schachmatt setzte.

Andere Leute beauftragen Spezialisten, um ihnen eine Legende für einen einfachen Seitensprung zu stricken. Nicht C. P. S. Der hatte immer alles selbst im Griff. Muss täglich Stunden damit verbracht haben, seine Karriere zu planen. Erfand sogar einen Weltverband für seine Sportart. War, wenn schon kein Meister des Schachs, so doch einer der Logik. Oder stimmt das mit dem Parallel-Universum doch? Lebte er in einer Welt, die sich uns Normalsterblichen einfach nicht erschließen will?

Wie dem auch sei. Der Coup ist geplatzt. C. P. S. stürzte zwei Tage nach Ostern auf den harten Boden der Realität. Ließ über seinen Anwalt verkünden, er habe alles erfunden, gab seinen Titel als Sportler des Jahres zurück und entschuldigte sich.

Einiges liegt aber immer noch im Dunkeln. Was hat er zum Beispiel gemacht, wenn er angeblich zu seinen Wettkämpfen gefahren ist? Hat er in Dubai am Strand gelegen und Cocktails geschlürft, in New York die Skyline bewundert, sich in Oslo mit blonden Skandinavierinnen getroffen, in Dresden den Goldenen Reiter geputzt, in Athen die olympischen Ringe vertauscht...?

Immer wieder frage ich mich auch: Kann ich C. P. S. böse sein? Und dann schweift mein Blick zu einer Keramiktasse auf meinem Schreibtisch. „Schachmatt“ steht drauf. Ein Geschenk.

JENS-PETER WOLDT



Claus-Peter Schoschies spielt Problemschach in Dubai. Karikaturen: F. Schmidt